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Räum- und Streupflicht im Winter

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aus der Kommunal-Info 10/2017
von Dr. Achim Grunke

Mit Beginn jedes Winters steht die Frage der Räum- und  Streupflicht für die Anwohner und für die Kommunen gleichermaßen. Kommt es bei unzureichender Räum- und  Streupflicht zu einem Unfall, stellt sich dann die Frage, wer die Haftung zu übernehmen hat.

Winterdienst in Sachsen
Für den Winterdienst sind auf den öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage nach Sächsisches Straßengesetz (SächsStrG) grundsätzlich die Gemeinden zuständig. Nach § 51 Abs. 4 SächsStrG sind diese Straßen nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit der Gemeinden vom Schnee zu räumen und bei Schnee- und Eisglätte zu streuen, soweit dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist. Der Umfang des von der Gemeinde zu leistenden Winterdienstes wird im Wesentlichen von ihrer Leistungsfähigkeit bestimmt. Eine allgemeine Räum- und Streupflicht für die Fahrbahnen aller Gemeindestraßen besteht nicht (VG Dresden, Beschluss vom 29.01.2009-3 L 1922/08).

Die Reinigungspflicht umfasst nach § 51 Abs. 3 auch die Verpflichtung, die Gehwege und Überwege für Fußgänger vom Schnee zu räumen und bei Schnee- und Eisglätte zu streuen. Soweit in Fußgängerzonen und in verkehrsberuhigten Bereichen Gehwege nicht vorhanden sind, gilt als Gehweg ein Streifen von 1,5 m Breite entlang der Grundstücksgrenze.

Überdies sind die Gemeinden nach § 51 Abs. 5 berechtigt, durch Satzung die Verpflichtung zur Reinigung ganz oder teilweise den Eigentümern oder Besitzern der durch öffentliche Straßen erschlossenen Grundstücke aufzuerlegen oder sie zu den entsprechenden Kosten heranzuziehen.

Für den Winterdienst auf Bundes- und Landesstraßen sind seit der Kreisgebietsreform die Landkreise zuständig. Der Winterdienst auf den Autobahnen erfolgt durch die Autobahnmeistereien des Landes.

Grundsätzlich bestimmt § 9 des SächsStrG, dass das Schneeräumen und das Streuen bei Schnee- oder Eisglätte nicht zur Aufgabe der Straßenbaulastträger (Land, Landkreise, Gemeinden) gehört. Jedoch sollen die Träger der Straßenbaulast nach besten Kräften die öffentlichen Straßen von Schnee räumen und bei Schnee- und Eisglätte streuen. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nicht. Außerdem ist beim Streuen der Einsatz von Auftausalzen und anderen Mitteln, die sich umweltschädlich auswirken können, so gering wie möglich zu halten.

Haftungsrisiken für Gemeinden
Bei Verletzungen der Räum- und Streupflicht können für Gemeinden erhebliche Haftungsfolgen eintreten. Ersatzansprüche gegen die Gemeinde bestehen dann nicht, wenn bereits auf die Straße aufgebrachtes Streugut aufgewirbelt wird und es dabei zu Schäden an Kraftfahrzeugen führen. Die Gemeinde haftet hier nicht; der Fahrer hätte seine Geschwindigkeit der Straßenlage und der Streusituation anpassen müssen. Haftungsrisiken können jedoch dann bestehen, wenn Streumittel bei dem Betrieb des Streufahrzeuges ausgebracht werden und hierbei Schäden an fahrenden oder stehenden Fahrzeugen entstehen.

Autofahrer müssen bei winterlichen Straßenverhältnissen mit entgegenkommenden Räumfahrzeugen rechnen, und auf schmalen Straßen auch damit, dass das Räumschild etwas über die Straßenmitte ragt. Sie müssen die Fahrweise auf diese Möglichkeit einstellen, müssen bei einer Kollision mit einem Schneepflug möglicher Weise den Schaden selbst tragen und für den Fremdschaden haften (LG Coburg, Urteil vom 02.05.2001-11 O 780/00).

Allgemeine Schadensersatz- und Amtshaftungsansprüche bestehen ferner, wenn es wegen nicht ordnungsgemäß durchgeführtem Winterdienst zu Personen- oder Sachschäden kommt. Stürzt z.B. ein Fußgänger bei Glatteis auf einer Straße, weil die Stadt die ihr obliegende Streu- und Räumpflicht nicht ausreichend erfüllt hat, ist die Stadt dazu verpflichtet, der Krankenkasse die ärztlichen Behandlungskosten zu 50% zu erstatten (LG Magdeburg, Urteil vom 08.09.2010-10 O 458/10).

Haftungsrisiken für die Gemeinden können sich auch aus Folgeerscheinungen (Schlaglöcher, Rohrleitungsschäden) ergeben. Auch das Aufhängen von Warnschildern mit dem Hinweis, dieser Weg werde nicht geräumt, befreit grundsätzlich nicht von der Räum- und Streupflicht und damit der Haftung. Amtshaftungs- und Schadensersatzansprüche bestehen daher sowohl bei nicht ordnungsgemäß durchgeführtem Winterdienst durch die Gemeinde selbst als auch bei der Verletzung der den Gemeinden obliegenden Kontroll- und Überwachungspflichten sowie der allgemeinen Straßenverkehrssicherungspflicht.

Verantwortung für Anlieger und Mieter
Wenn die Gemeinde die Räum- und Streupflicht an die Hauseigentümer der anliegenden Straße überträgt, kann der Hauseigentümer wiederum die Räum- und Streupflicht durch Regelung im Mietvertrag oder durch die Hausordnung auf den Mieter abwälzen (LG Karlsruhe, Urteil vom 30.05.2006, Az. 2 O 324/06). Jedoch kann der Vermieter die Mieter nicht einfach per Hausordnung zum Winterdienst verpflichten. Dazu bedarf es einer privat-rechtlichen Regelung im Mietvertrag. Soweit im Mietvertrag lediglich steht, dass „alle behördlichen und polizeilichen Pflichten zu beachten“ sind, wäre das zu unbestimmt (LG Stuttgart, Urteil vom 27.01.1988, Az. 5 S 210/87).

Wird die Winterpflicht ausdrücklich auf den Mieter übertragen, so darf der Vermieter grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Mieter seiner Pflicht auch nachkommt. Er hat zu beachten, dass ihn weiterhin eine Überwachungspflicht trifft (OLG Dresden, Beschluss vom 20.06.1996, Az. 7 U 905/96). Der Vermieter muss zudem kontrollieren und darauf achten, dass der Mieter seiner Winterpflicht auch tatsächlich nachkommt (LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 30.06.2000, Az. 1 O 60/00). Kommt der Mieter seine durch Mietvertrag oder Hausordnung übertragenen Pflichten nicht nach, so haftet er für eingetretene Schäden etwa bei einem Sturz infolge der Vernachlässigung der Streupflicht.

Für die Übertragung der Räum- und Streupflichten auf Mieter gibt es aber auch Grenzen. So müssen z.B. gebrechliche Senioren dem Winterdienst nicht nachkommen Auch, wenn Mieter aus gesundheitlichen Gründen diese Arbeiten nicht mehr erledigen können und weder private noch gewerbliche Dritte zur Übernahme der Arbeiten zu finden sind, besteht keine Pflicht zum Winterdienst (LG Münster, Urteil vom 19.02.2004, Az. 8 S 425/03).
Ist im Mietvertrag keine Regelung enthalten, zu welchen Zeiten der Winterdienst vorgenommen werden muss und gibt die örtliche Straßenreinigungssatzung ebenso keine Auskunft darüber, so gilt das allgemein übliche. Danach besteht vor Einsetzen des üblichen Tageswerkes gegen 7.00 Uhr keine Räum- und Streupflicht (OLG Koblenz, Beschluss vom 28.03.2008, Az. 5 U 101/08). An Sonn- und Feiertagen muss nicht vor 9.00 Uhr gestreut werden (OLG Oldenburg, Urteil vom 28.09.2001, Az. 6 U 90/01). Die Pflicht endet um 20.00 Uhr (BGH, Urteil vom 02.10.1984, Az. VI ZR 125/83). Bestehen jedoch konkrete Anhaltspunkte für eine Glatteisbildung ist eine vorbeugende Streuung auch außerhalb dieses Zeitrahmens notwendig (OLG Brandenburg Urteil v. 18.01.2007–5 U 86/06).

Verhältnismäßigkeit und Haftung
Bei der Räum- und Streupflicht besteht auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Allerdings gibt es hierzu keine einheitliche Rechtsprechung. So bestehe etwa bei Eisregen nicht die Pflicht, den ganzen Tag über zu räumen und zu streuen (OLG Schleswig 11 U 14/00 und OLG Karlsruhe 7 U 237/07). Hingegen verlangte das LG Hamburg (309 S 234/97) vom Vermieter bei gefrierenden Regen außergewöhnliche Anstrengungen zur Gefahrenbeseitigung zu unternehmen.
Gegebenenfalls müsse auch mehrfach hintereinander gestreut werden, wenn die Wirkung des Streugutes infolge außergewöhnlicher Witterungsverhältnisse nur kurze Zeit anhalte, wie zum Beispiel anhaltender Niederschlag auf unterkühltem Boden, (BGH Urteil vom 27.11.1984 Az.: VI ZR 49/83). Allerdings müsse auch nicht fortlaufend gestreut werden. Der Streupflichtige müsse erst dann wieder streuen, wenn die Witterungsverhältnisse nicht so außergewöhnlich sind, dass wiederholtes Streuen sinn- oder zwecklos ist (BGH, Urteil vom 27.11.1984, Az. VI ZR 49/83).

Auch muss der Gehweg nicht in seiner gesamten Breite von Schnee oder Eis befreit werden. Es genügt, wenn ein schmaler Streifen von etwa 80 bis 120 cm frei gemacht wird, so dass 2 Personen gefahrlos aneinander vorbeigehen können (BGH, Urteil vom 09.10.2003, Az.: III ZR 8/03).

Die Haftung richtet sich danach, wer die Verkehrssicherungspflicht innehatte. Anspruchsgegner können daher die zuständige Gemeinde, der Hauseigentümer oder der Mieter sein. Stürzt ein Mieter besteht darüber hinaus eine Haftung des Pflichtigen aus Vertrag, da der Winterdienstvertrag zwischen Vermieter und Reinigungsfirma Schutzwirkungen für die im Haus wohnenden Mieter entfaltet (BGH, Urteil vom 22.01.2008, Az. VI ZR 126/07).

Ein Haftungsausschluss durch Aufstellen eines Warnschildes („Privatgrundstück“, „Betreten und Befahren auf eigene Gefahr“, „Betreten verboten“) ist nicht möglich. Die Verkehrssicherungspflicht bleibt weiter bestehen. Allerdings ist das Vorhandensein eines solchen Schildes im Rahmen des Mitverschuldens zu berücksichtigen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.07.2004, Az. 4 U 644/03 -116).


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