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Das kommunale Ehrenamt

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Erstmalig erschienen unter dem Titel “Im Ehrenamt für die Gemeinde” in Kommunal-Info 2/2013, verfasst von Dr. Achim Grunke
Ergänzt in 7/2019 von Konrad Heinze

Es gehört zum Wesen der kommunalen Selbstverwaltung, dass sie durch das ehrenamtliche Mitwirken der Einwohnerinnen und Einwohner, der Bürgerinnen und Bürger getragen wird. Dazu führt Artikel 86 Abs. 2 der Sächsischen Landesverfassung aus: „In den Gemeinden wirken die Einwohner an der Selbstverwaltung mit, insbesondere durch die Übernahme von Ehrenämtern.“

Kommunale Selbstverwaltung
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer seiner Entscheidungen (BVerfGE 11, 363) die ehrenamtliche Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger an der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben als den politischen Kern der kommunalen Selbstverwaltung bestimmt. Kommunale Selbstverwaltung und ehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde gehören also zusammen. Kommunale Selbstverwaltung zeichnet sich dadurch aus, dass in ihr angesehene, mit den heimischen Verhältnissen besonders vertraute Mitbürger mitwirken.

Das schafft Bürger- und Sachnähe, Überschaubarkeit, Flexibilität und Spontanität der Entscheidungen und garantiert damit eine höhere Qualität und Akzeptanz der Aufgabenerfüllung bei den Bürgerinnen und Bürgern. Sinn einer politisch verstandenen Selbstverwaltung ist es, die Entfremdung zwischen Verwaltung und Bürgern durch ihre Beteiligung an der Verwaltung zurückzudrängen.

Formen des Ehrenamts
Die ehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde kennt verschiedene Formen:

  • im gewählten Mandat als Gemeinderat/rätin oder Ortschaftsrat/rätin;
  • im Ehrenbeamtenverhältnis als ehrenamtliche/r Bürgermeister/in oder Ortsvorsteher/in sowie als Amtsverweser/in;
  • durch die ehrenamtliche Mitwirkung als sachkundige/r Einwohner/in einem Ausschuss des Gemeinderats;
  • bei der Erledigung einzelner, vorübergehender Tätigkeiten in der kommunalen Selbstverwaltung (z.B. Mitwirkung in einem Wahlausschuss);
  • bei der  dauernden Erledigung spezieller Aufgaben für die Gemeinde (z.B. Mitwirkung in der Freiwilligen Feuerwehr, ehrenamtliche/n Naturschutzhelfer/in).

Für die Gemeinde
Die ehrenamtliche Tätigkeit muss für die Gemeinde geleistet werden. Dies umfasst sowohl die weisungsfreien Selbstverwaltungsaufgaben (freiwillige Aufgaben, Pflichtaufgaben) und die Weisungsaufgaben.

Werden Gemeindeaufgaben von einem selbständigem Rechtsträger (z.B. GmbH) wahrgenommen werden, handelt es sich bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit für diesen Rechtsträger nicht um eine Tätigkeit für die Gemeinde, auch dann, wenn die Anteile z.B. an der Gesellschaft in vollem Umfang von der Gemeinde gehalten werden. Jedoch übt eine ehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde aus, wer als Vertreter der Gemeinde von dieser in ein Organ eines Unternehmens (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat) entsandt ist, an dem die Gemeinde beteiligt ist.

Keine ehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde liegt vor, wenn zwar in örtlichen Zusammenhängen, aber unabhängig von der Gemeinde, etwa in Vereinen, ehrenamtliche Dienste geleistet werden. Ebenso zählen nicht zur ehrenamtlichen Tätigkeit sog. „Hand- und Spanndienste“, d.h. die Verpflichtung von Einwohnern und Einwohnerinnen zu bestimmten Dienstleistungen in Notfällen. Wer eine/n Amtsinhaber/in bei der Wiederbewerbung um das Amt des Bürgermeisters/der Bürgermeisterin unterstützt, erfüllt keine Gemeindeaufgabe, sondern fördert private Zwecke.1

Recht und Pflicht
Einwohnerinnen und Einwohner, die also in der Gemeinde eine Wohnung innehaben und diese auch tatsächlich benutzen, haben das Recht zur ehrenamtlichen Tätigkeit für die Gemeinde, können jedoch dazu nicht verpflichtet werden.

Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde, deutsche Staatsbürger im Sinne des Grundgesetzes, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben sowie die ihnen gleichgestellten Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der EU („EU-Bürger“) haben nicht nur das Recht, sondern sind auch „verpflichtet, eine ehrenamtliche Tätigkeit für die Gemeinde zu übernehmen und auszuüben.“ (§ 17 Abs. 1 Sächsische Gemeindeordnung – SächsGemO)

Die Pflicht muss uneigennützig und verantwortungsbewusst erfüllt werden (§ 19 Abs.1 SächsGemO). Wer eine ehrenamtliche Tätigkeit unberechtigt ablehnt, aufgibt oder den ehrenamtlichen Pflichten nicht nachkommt, kann mit einem Ordnungsgeld von bis zu 500€ belegt werden. Weiterhin können Zwangsmaßnahmen nach den Bestimmungen des SächsVwVG in Frage kommen.

Ehrenamtliche Tätigkeit bedeutet die unbesoldete Mitwirkung an gemeindlichen Aufgaben, was jedoch nicht heißt: ohne jeden finanziellen Ausgleich. Durch die unentgeltliche Tätigkeit sollen ehrenamtlich Tätige keine unmittelbaren finanziellen Nachteile in Kauf nehmen müssen. Deshalb hat jeder ehrenamtlich Tätige Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen und seines Verdienstausfalls (§ 21 SächsGemO). Darüber hinaus genießen Gemeinderäte und Ortschaftsräte im Falle von Dienstunfällen einen Unfallversicherungsschutz im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung (z.B. auf dem Hin- und Rückweg zur Ratsversammlung). Ferner sind alle ehrenamtlich Tätigen, so sie hoheitlich tätig sind, Amtsträger im Sinne des Amtshaftungsrechtes. Das heißt, dass im Falle einer begangenen Amtspflichtsverletzung die Gemeinde etwaigen Dritten Schadensersatz zu leisten hat. Handelt der Ehrenamtliche aber vorsätzlich oder grob fahrlässig, ist er der Gemeinde regresspflichtig.

Ablehnungsgründe
Nach § 18 SächsGemO können Bürgerinnen und Bürger sowie ihnen gleichgestellte EU- Bürgerinnen und -Bürger aus wichtigem Grund eine ehrenamtliche Tätigkeit ablehnen oder deren Beendigung verlangen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der oder die Betreffende

  1. älter als 65 Jahre ist,
  2. anhaltend krank ist,
  3. zehn Jahre dem Gemeinderat oder Ortschaftsrat angehört oder ein anderes Ehrenamt bekleidet hat,
  4. durch die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit in seiner Berufs- oder Erwerbstätigkeit oder in der Fürsorge für seine Familie erheblich behindert wird,
  5. ein öffentliches Amt ausübt und die oberste Dienstbehörde feststellt, dass die ehrenamtliche Tätigkeit hiermit nicht vereinbar ist.

Während die Punkte 1, 3 und 5 ziemlich klare Ablehnungsgründe sind, besteht bei den Punkten 2 und 4 die Möglichkeit der abwägenden Beurteilung.

So liegt eine anhaltende Krankheit dann vor, wenn Dauer und Wirkung der Krankheit ein solches Ausmaß annehmen, dass dem/der Bürger/in die Übernahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann. Eine nur vorübergehende Erkrankung ist im Allgemeinen kein gesetzlicher Ablehnungsgrund, wohl aber, wenn mit ihrer Überwindung erst nach längerer Zeit (z.B. nach einem Jahr) zu rechnen ist. Für die Entscheidung, ob die Erkrankung eine anhaltende ist, kann sich der Gemeinderat ein privatärztliches, ggf. auch ein amtsärztliches Zeugnis vorlegen lassen.2

Wer aufgrund der Wahrnehmung der ehrenamtlichen Tätigkeit schwerwiegende Nachteile im Berufs- oder Erwerbsleben erleidet, kann dies als Ablehnungsgrund geltend machen. Das kann der Fall sein, wenn der Betroffene häufig oder langandauernd berufsbedingt von der Gemeinde abwesend sein muss (z.B. Handelsvertreter, auswärtiger Beschäftigungsort, auswärtige Aus- und Fortbildung).

Was die Behinderung in der Fürsorge für die Familie angeht, so ist hier der Begriff der Familie weit zu fassen. Dazu gehören z.B. auch vom Gesetzgeber anerkannte familienähnliche Lebensgemeinschaften. Ein gemeinsamer Hausstand muss nicht vorhanden sein. Ausschlaggebend sind beispielsweise Zahl und Alter minderjähriger Kinder, ferner die Sorge für ständig zu betreuende kranke oder alte Menschen. Entscheidend ist die faktische unmittelbare Verantwortlichkeit für diese Menschen, wobei die Fürsorge persönlich ausgeübt werden muss. Die Behinderung muss schon erheblich sein, nur eine geringfügige Beeinträchtigung der Familienfürsorge reicht nicht aus.3

Die Liste der wichtigen Gründe ist nicht abschließend geregelt. Maßgeblich ist stets die im Einzelfall zu klärende Frage, ob bei der Würdigung der Gesamtumstände die weitere Ausübung des Ehrenamtes dem Betroffenen zuzumuten oder nicht mehr zuzumuten ist. Außer Art und Umfang des Ehrenamtes gehen hier die persönlichen, beruflichen und familiären Verhältnisse in die Würdigung ein. Weiterhin auch die Interessen des Arbeitgebers, die bisherige Heranziehung zu ehrenamtlichen Tätigkeiten und die sonstige Beteiligung am Gesellschaftsleben. Diese müssen gegen die Bedürfnisse der Gemeinde und Verwaltung abgewogen werden.

Politische Gründe
In kommunalpolitischen Auseinandersetzungen in Gemeinderäten kommt es hin und wieder vor, dass die weitere Mandatsausübung aus politischen Gründen abgelehnt wird. Bei bloßer Verärgerung oder Enttäuschung über politische Entscheidungen liegen jedoch keine Umstände vor, aus denen eine Ablehnung des Mandats gerechtfertigt werden kann. Generell stellen politische Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte innerhalb des Gemeinderats oder mit dem Bürgermeister keinen wichtigen Grund dar.

Derartige Gründe anzuführen, widerspräche grundsätzlich der auch für kommunale Mandatsträger bestehenden Verpflichtung, ihr Mandat zu übernehmen und auszuüben.

Auch der geschlossene Rücktritt des Gemeinderats (etwa zur Auflösung eines anders nicht zu beseitigenden „Patts“ im Gemeinderat oder wegen tiefgehender Meinungsverschiedenheiten mit dem Bürgermeister) ist nicht möglich. Es könnten lediglich diejenigen Gemeinderäte ihr Amt niederlegen, die sich tatsächlich auf einen wichtigen Grund berufen können. Jedoch könnte ein Gewissenskonflikt in Ausnahmefällen ein wichtiger Ablehnungsgrund sein, da es sich bei den in § 18 SächsGemO genannten Ablehnungsgründen um keine abschließende Aufzählung handelt. Auch die Ablehnung der Mandatstätigkeit, um eine Rotation zu ermöglichen, die im Gesetz nicht vorgesehen ist, stellt keinen wichtigen Grund dar.

Parteiaustritt oder -ausschluss
Als umstritten gilt, ob das Ausscheiden (Austritt oder Ausschluss) eines Gemeinderats oder Ortschaftsrats aus der Partei oder Wählervereinigung, auf deren Wahlvorschlag er in den Gemeinderat oder Ortschaftsrat gewählt wurde, einen wichtigen Grund zur Ablehnung der Mandatstätigkeit bildet. Ein solcher Gemeinderat oder Ortschaftsrat scheidet ja nicht aus gesetzlichen Gründen (Wählbarkeits- oder Hinderungsgründe nach §§ 31,32 SächsGemO) aus dem Gemeinderat oder Ortschaftsrat aus.

Die zuständigen Parteiorgane können nicht durch Ausschluss aus der Partei bewirken, dass als Folge davon das Mandat des Betreffenden verfällt. Gegen die Niederlegung des Mandats spricht hier auch, dass das kommunale Wahlrecht mit dem Kumulieren und Pnaschieren in starkem Maße von Momenten der Persönlichkeitswahl geprägt ist und keine reine Parteilistenwahl ist.

Andererseits besteht jedoch auch die Meinung, dass ein Bewerber auch als Vertreter seiner Partei gewählt wurde und das System der freien Liste mit Kumulieren und Panaschieren trotz seiner Annäherung an eine Persönlichkeitswahl im Rahmen der Verhältniswahl bleibt und der Bewerber damit von der Gesamtstimmenzahl seiner Partei, aber auch von deren politischem Gewicht Nutzen gezogen hat. Deshalb spräche auch etwas dafür, in solchen Fällen grundsätzlich eine Niederlegung des Mandats zu bejahen.4

Das kommunale Ehrenamt niederlegen oder beenden
Als Bürgerin und Bürger einer Gemeinde ist man zur Ausübung eines Ehrenamtes verpflichtet. Die ehrenamtliche Tätigkeit kann nicht durch einseitigen Rücktritt beendet werden. Hierfür braucht es einen entsprechenden Beschluss der bestellenden Instanz, i.d.R. des Gemeinderates. Dazu ist ein formlose Erklärung zu verfassen, die ordnungsgemäß der Gemeinde zugehen muss. Die für die Ablehnung maßgeblichen Gründe sind darin vorzutragen und diese Gründe mit Beweisen und Tatsachen zu stützen

Nimmt der Gemeinderat den Antrag auf Niederlegung des Ehrenamtes an, lebt das Mandat auch bei Wegfall der Gründe nicht mehr auf, man ist auch keine Ersatzperson mehr. Lehnt der Gemeinderat das Ausscheiden aus dem Ehrenamt zu Unrecht ab, steht der Verwaltungsrechtsweg offen.

Weitere Gründe, die das Ehrenamt offenkundig beenden, sind: Ablauf der Amtszeit, das eigene Ableben, der Verlust der Wählbarkeit (z.B. Umzug), der Verlust des Bürgerrechts, das Vorliegen eines Hinderungsgrundes, der Widerruf der Bestellung oder die Erledigung der übertragenen Aufgabe.


1 Vgl. Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Ergänzbarer Kommentar, G §17, Rdn. 6,16.
2 Vgl. ebenda, G § 18, Rdn. 5.
3 Vgl. ebenda, G § 18, Rdn. 7,8.
4 Vgl. ebenda, G § 18, Rdn. 10,11.