Link: Berlin-Institut – Teilhabeatlas Deutschland. Ungleichwertige Lebensverhältnisse und wie die Menschen sie wahrnehmen

„Drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung hängen die meisten ostdeutschen Regionen noch in vielen Bereichen zurück. In fast allen ländlichen Kreisen, aber auch in den meisten ostdeutschen Städten müssen die Menschen mit geringeren Teilhabechancen leben. Dieses Schicksal teilen sie aber mit den Bewohnern einiger westdeutscher Städte, vor allem im Ruhrgebiet, aber auch im Südwesten von Rheinland-Pfalz, im Saarland sowie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Haben Bewohner das Gefühl, dass sich ihre Region positiv entwickelt, schätzen sie ihre persönliche Lage eher optimistisch ein. „Gerade dort, wo die Menschen nach einer langen Durststrecke wieder einen Aufwärtstrend verspüren, blicken die Befragten meist positiv in die Zukunft“, so Slupina [Autor der Studie]. Umgekehrt äußerten Befragte das Gefühl, abgehängt zu sein, wo sie den Niedergang als chronisch erleben und wenig Perspektiven sehen. Dabei sind es oft Veränderungen im unmittelbaren Umfeld, welche die Einschätzung prägen: Wenn der Dorfladen schließt oder das Krankenhaus auf der Kippe steht, empfinden viele dies als problematisch – selbst wenn sich die Region als Ganze positiv entwickelt.

Ob auf dem Land oder in der Stadt, ob in einer Boom- oder Schrumpfregion, überall berichten Gesprächspartner von einer besonderen Bindung zu ihrer (Wahl-)Heimat. Wer sich einem Ort verbunden fühlt, ist eher bereit, sich zu engagieren und zur Verbesserung der Lebensbedingungen beizutragen. Zahlreiche Vereine, Bürgerbusse oder Dorfläden zeugen davon. In den besuchten ländlichen Regionen in Ostdeutschland stehen jedoch viele Befragte dem Gedanken, selbst die Initiative zu ergreifen, skeptisch gegenüber und glauben nicht, mit ihrem Einsatz etwas bewirken zu können. Missstände zu beheben sei Aufgabe der Politik.

Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, für „gleichwertige Lebensverhältnisse“ in allen Teilen des Landes zu sorgen. „Sie hat allerdings bis heute nicht definiert, wie Gleichwertigkeit überhaupt auszusehen hätte“, moniert Klingholz [Autor der Studie]. Das mache es nahezu unmöglich, ungleichwertige Lebensverhältnisse zu benennen, geschweige denn, Gleichwertigkeit herzustellen.

Ohnehin entwickeln sich die Regionen wirtschaftlich und demografisch sehr unterschiedlich und bringen oft grundlegend verschiedene Voraussetzungen mit. „Mit dem Versprechen von Gleichwertigkeit weckt die Politik Erwartungen, die sie nicht erfüllen kann“, so Klingholz: „Dies führt unweigerlich zu Enttäuschungen und weiteren Frustrationen.“ Stattdessen solle sie die Realität anerkennen und ihre eigenen Möglichkeiten nüchtern einschätzen. Aufgrund der Vielfalt der Lebensbedingungen muss sie nach Lösungen suchen, die sich an den jeweiligen regionalen Möglichkeiten und Bedürfnissen orientieren, um den Menschen überall im Land eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.“
(Text der Pressemeldung des Berlin-Instituts entnommen)

Die Studie schließt mit Anregungen und konkreten Handlungsempfehlungen an VerantwortungsträgerInnen auf den verschiedenen politischen Ebenen. Gemeinsamer Tenor ist es, den Kommunen wieder mehr eigenständige Handlungsspielräume gesetzlich zuzugestehen als auch diese materiell zu untersetzen.

Hier geht es zum Volltext der Studie.